Nach vier Jahren und 60.000km auf 790/890er KTM Adventure Bikes habe ich einige Offroadreifen probiert bzw. getestet. Im Rahmen meiner Offroadtrainings- und Touren bin ich dabei meist abseits der Straße unterwegs. Dabei sind auch die Jentlflow Westalpentour,  Rallyfahrtechniktrainings und die Teilnahme an der Bosnia Rally, sodass es auch mal härter zur Sache geht.

Die JentlFlow Basic Offroad Trainings („Guiding Plus“ und „Training Pro“) werden auf einfachen Schotterstraßen gefahren, hier sind auch straßenorientierte Adventurebikereifen geeignet. (10:90 Gelände: Straße) Natürlich gibt ein offeneres Profil mehr Sicherheit auf Naturstraßen und man ist im Falle des Falles gerüstet, aber nur für den Trainingstag umrüsten ist nicht notwendig. Das sollte nur machen, wer vor hat künftig öfter Schotter zu fahren.

Bei den fortgeschrittenen Trainings (Level2) und Touren (Westalpen/Oulx, Kroatien/Gospic, Slowenien/Postojna) schaut die Sache schon anders aus. Hier werden auch Traktorwege und tiefer Schotter gefahren, sodass sich ein 50:50 Reifen (z.B. Michelin Anakee Wild, Bridgstone AX41, Metzeler Karooo4, Heidenau Ranger) empfiehlt. Besonders wenn es nass ist.

Wer die Teilnahme an einer Einsteiger Rally wie der Bosnia Rally mit dem Adventurebike plant, wird sich im 80:20er Segment umsehen. Adventurebikes mit Schlauchfelgen (z.B Honda Africa Twin, Yamaha T7) haben hier den Vorteil, auf Rallyreifen zugreifen zu können. Die sind nämlich alle nur als Tubetype Version (nur mit Schlauch oder Mousse fahrbar) erhältlich. Hat man dagegen serienmäßig Tubeless Laufräder verbaut, wie bei der KTM 890, ist es schwieriger Rally geeignete Offroadreifen zu finden.

Jentlflow Reifentest bei der Bosniarally 2022

Rallyreifen – Tubeless Type

Warum nicht mit 50:50er Reifen die Rally fahren?

Natürlich ist es möglich die Bosnia Rally mit 50:50er Reifen wie Michelin Anakee Wild, Bridgstone AX41, Metzeler Karooo4 oder Heidenau Ranger zu fahren. Wird auch von vielen Adventurebikepiloten so praktiziert. Allerdings hat diese Kategorie gegen 80:20er im Rallyeinsatz einige Nachteile:

  • Die Karkasse ist meist nicht so stark (dafür geschmeidiger auf der Straße) und daher Reifenschäden wahrscheinlicher
  • Durch die weichere Gummimischung (für Straßen/Nässe-Grip) stärkerer Verschleiss auf steinigem, rauen Untergrund
  • Weniger Negativprofil und Stollenhöhe (für Stabilität auf der Straße), daher weniger Grip bei tiefem Boden

Im Allroundeinsatz mit 50% Straße, auch auf nasser Fahrbahn, ist der 50:50er dem 80:20 deutlich überlegen. Dort hält er auch länger aufgrund weniger hohem Negativprofilanteil. Für den Rallyeinsatz ist aber der 80:20er die bessere Wahl.

KTM 890 – Original Tubless Felgen mit Offroadbereifung

Mitas E-09

Der Mitas E-09 ist mit Abstand der beliebteste 80:20er Reifen. Er ist meist gut verfügbar und preislich attraktiv. Dazu hat er hinten richtig grobes Profil, mit 11mm die gleiche Profilhöhe wie ein F.I.M. Enduroreifen und ist sehr robust. Die Gummimischung ist eher auf der weicheren Seite, daher hält bei besonnener Fahrweise gerade mal die Bosnia Rally mit 1400km durch. Im gemäßigterem Normalbetrieb ca 2000km. Der E-09 fährt sich auch auf der Straße problemlos, ist also wirklich ein Top Alllround Reifen für offroadlastige Adventurebikefahrer. Dabei maximaler Grip Offroad, was natürlich mit höherem Verschleiß erkauft wird.
Der vordere E-09 passt eigentlich gar nicht zum Hinterreifen. Nur 7mm Profilhöhe, kleine Profilblöcke, bescheidene Optik. Geht zwar super auf der Straße, wenn es Offroad tief wird hat er Schwächen. Damit ist der Hinterreifen griffiger als der Vorderreifen, keine gute Kombination. Ich habe deshalb bei der Rally vorne stattdessen den Michelin Anekee Wild (mit 2,5Bar) gefahren, der bietet, obwohl “nur” 50:50 im tiefen Schotter mehr Grip. Mitas sollte sich hier am bewährten Mitas E-13 orientieren und ein solches Profil als E-09 Vorderreifen anbieten, dann hätte der Ankaee Wild keine Chance. – KTM Adventure 790R – Mitas E-09 im Test

Motoz Tractionator RallZ

Da ich mit dem Mitas E-09 Verschleiß hinten und Offroad Grip vorne nicht zufrieden war, wollte ich den Motoz Tractionator RallyZ fahren. Grobe Offroadoptik vorne (Profilhöhe 10mm) wie hinten (13mm!!!)  und eine versprochene lange Haltbarkeit. Allerdings schwer zu bekommen und sehr teuer.
Leider war (zumindest bei meinem Satz) die Gummimischung zu hart und daher der Grip und Handling auf festen Untergrund, wie auch auf der Straße, wirklich schlecht. Ich hatte noch nie einen Reifen mit dem sich das Motorrad so unsicher auf der Straße anfühlte. Natürlich top Grip im weichen Gelände, aber auf hartem Offroadboden auch nicht wirklich gut. Dafür 3x längere Lebensdauer als der E-09. Hilft aber nix bei den Fahreigenschaften. – Motoz Tractionator RallZ im JentlFlow Test

Golden Tyre GT 823

Heuer hatte ich die Möglichkeit, einen Satz Golden Tyre GT 823 zu testen. Die italienische Marke hat einen sehr guten Namen im Adventurebikebereich, ist aber leider schwer zu bekommen und auch teuer.
Das Profil ist hinten grob, wenn nicht so aggressiv wie RallZ und E-09. Dabei auch “nur” 11mm Profilhöhe. Die Gummimischung ist nicht zu hart, nicht zu weich. Guter Kompromiss aus Grip und Haltbarkeit. Auch auf der Straße sehr gut. Der Mitas E-09 dürfte durch das offenere Profil im tiefen Boden spürbar besser greifen, aber auch deutlich schneller verschleißen. Nach 1000km im groben kroatischen Gelände hat der GT 823 nur 3mm Profilhöhe verloren.
Der Vorderreifen bietet 11mm Stollenhöhe und ein top aggressives Profil. Optisch noch besser als der RallZ. Dabei eine super Gummimischung. Grip im Weichen wie Harten super, auch die Haltbarkeit. Mit Abstand der beste offroadtaugliche Tubeless Vorderreifen.

Rallyreifen – Tube Type

Um ins Rallyregal greifen zu können, habe ich mir die KTM Heavy Duty Felgen gekauft. –KTM Heavy Duty Laufräder – KTM Adventure 890 –  Damit kann ich auch meine abgefahrenen Hardenduro Reifen nutzen, dachte ich mir. Allerdings sind hier die Karkassen nicht auf das hohe Adventurebikegewicht ausgelegt und hinten sind die 140er Enduroreifen relativ schmal gebaut. Funktioniert, wenn, dann mit hohem Luftdruck und bei weicheren Böden. Für hartes Rallyterrain nicht geeignet.

Ideal dafür die Auswahl an Rallyreifen, diese werden auch von vielen namhaften Marken angeboten. Größter Vorteil der Rallyreifen: Sie sind super robust, was für die schwere Adventurebikes wichtig ist. Selbst bin ich bisher nur den Dunlop D908RR gefahren, Freunde von mir auch den Pirelli Scorpion Rally Racing und den Michelin Desert Race Rallyreifen. Wobei der Pirelli extrem schnell verschleißt, der Michelin sollte deutlich länger halten.

Rallyreifen sind robust und traktionsstark

Dunlop D908RR

Der Dunlop D908RR hat ein eigenständiges Profildesign. Durch das große „Plus“ in der Profilmitte ist er sehr haltbar und super robust. 12mm Profilhöhe. Den Hintenreifen gibt es auch als 150er, was für +200kg +100PS kein Nachteil ist. Top Gummimischung für Grip auf glatten Flächen, auch auf Asphalt gut zu fahren. Bei tiefem Boden hat das klassische Blockprofil der anderen Marken Vorteile, dafür hält der Dunlop mit Sicherheit am längsten. Gut verfügbar, teuer, was sich aber mit der Haltbarkeit egalisiert.
Der D908RR Vorderreifen ist leider für +200kg Bikes ungeeignet, weil die Stollen zu weich sind. Er knickt auf harten Böden weg und verschleißt schneller als der Hinterreifen. Hier müsste es eine Version mit härterer Mischung geben für schwere Bikes.
Als Alternative funktioniert der Dunlop D606 am Vorderrad perfekt. 11mm Profilhöhe, etwas größere Stollen, super Gummimischung. Leider aber keine Rally Karkasse, dadurch anfälliger auf Schäden. Muss daher mit viel Luftdruck gefahren werden.
Dunlop D908 Rally Raid im JentlFlow Test

Fazit

Michael Jentl JentlFlowNur wenige Marken am Markt habe sich dem wachsenden Thema Offroadreifen für schwere Adventurebikes angenommen. Neben den hierzulande schwer erhältlichen Motoz und Golden Tyre ist es eigentlich nur die tschechische Marke Mitas, die speziell dieses Segment abdeckt. Und zwar auch mit Tubeless Reifen, wie sie bei modernen Adventurebikes, wie der KTM Adventure 890 gerne verbaut werden. So ist der beliebte Mitas E-09 auch der meistgefahrene (Hinter-) Reifen bei der Bosnia Rally. Leider ist der Vorderreifen von der Offroadtauglichkeit nicht auf selbem Niveau. Für Tubeless Fahrer ist so ein 50:50 Vorderreifen, wie der Michelin Anakee Wild, wohl die bessere Wahl. Außer man hat den Golden Tyre 823 ergattert, dann hat man nämlich den aktuell besten Tubeless Reifen am Vorderrad montiert.
Für Schlauchreifenfelgen ist der Dunlop D908RR am Hinterrad für den harten Einsatz am Adventurebike perfekt. Super Verhältnis Grip zu Haltbarkeit bei top Robustheit. Vorne müsste Dunlop den D908RR Vorderreifen in einer härteren Gummimischung für 2-Zylinder bringen oder den D606 mit einer robusteren Rallykarkasse. Der aktuelle D908RR hat definitiv zu weiche Stollen.
Der Rallyeinsatz mit einem +200kg +100PS Bike hat hohe Anforderungen an das Reifenmaterial. Die Reifenhersteller haben sich dem Thema bisher nur halbherzig angenommen. Das wachsende Interesse an RallyRaids mit Adventurebikes wird das in Zukunft wohl ändern. Jawoll!