Ein Bericht von Renate Gutleb, die verletzungsbedingt heuer leider pausieren musste. Vor Ort in Kupres betreute sie das JentlFlow Bosnia Rally Team, in dem auch Ihr Mann Gerhard startete.

Was ist Bosnia Rally?

KEIN RENNEN!! Eine familiäre Trainings-Veranstaltung in entspannter Atmosphäre. Jene Fahrer die eine besondere Herausforderung suchen und Spaß an der Navigation haben, sind bei uns richtig. Ob mit einer schlanken Sport Enduro oder einem schweren Adventure Motorrad, alle Fahrer kommen auf ihre Kosten. Das Konzept ist einzigartig und findet internationalen Anklang.  Zitat kopiert von https://bosnia-rally.com/

Michael “JentlFow“ Jentl zog los um mit 19 Motorradbegeisterten als Team bei der Bosnia Rally 2023 zu starten. 2 von den 19 mussten im Vorfeld leider absagen, einmal beruflich und ich wegen einer Schulteroperation. So wechselte sich meine Blickrichtung; ich wurde zum Beobachter und versuchte das JentlFlow-Team im Rahmen dieser spannende Veranstaltung zu begleiten und zu kommentieren. Daraus entstand folgender Kurzbericht und dieses Video:

Das JentlFlow-Team bei der Bosnia Rally 2023 17.7.-22.7.2023

Die Vorbereitungen nahmen kurz vor der Rally noch einmal so richtig Fahrt auf, Felgen mussten noch gefunden werden, egal wie weit entfernt, die werden abgeholt , Luftfilter waren nicht ausreichend dabei, kurz entschlossen wurde der RadeGarage Luftfilterkastenumbau von Rade persönlich vor Ort eingebaut…
Tag 0, es ist heiß, wie erwartet, die einen machen es sich auf der Bank vor dem Hotel gemütlich und werden dabei von den Fotographen geblitzt, sollte ein viel geliktes Foto werden, die anderen schrauben noch, was das Zeug hält, wieder andere versuchen durch Gespräche über unglaublich schweres Terrain hinwegzukommen und die vierte Gruppe nimmt noch schnell ein JentlFlow Training – Fahrtechniktraining für die Bosnia Rally –, um auf alles in der Zukunft liegende vorbereitet zu sein.

Abends ist der Bus von Michael unser Treffpunkt, Bier aus Österreich, aus einem Kofferraum-Kühlschrank, der keinen Boden zu haben scheint, ein Team-Shirt von Michael, die persönlich angegebenen T-Shirt Größen erweisen sich als nicht perfekt gewählt und ein Tauschhandel beginnt. Letztendlich sind vielleicht alle zufrieden gewesen? Ich? Ja!
Stefan ruft zum ersten Briefing vor dem Nebengebäude auf, einiges klingt sehr dramatisch, anderes wird überhört und die bellenden, aber hoffentlich nicht beißenden, Hirtenhunde bleiben allen in Erinnerung.

Tag 1: Stage 1 – 272km Jaice

Vom Hotelfenster aus sieht man schon um 6:30 die ersten Rally-Teilnehmer bei ihren konzentriert ablaufenden Vorbereitungen. Um 7:30 sind 300 von insgesamt circa 400 Startern am sonnendurchfluteten Vor-Start. Alle 2-3min werden 5-7 Rally-Hungrige von Stefan persönlich die Startzeit in die Rally-Karte gestempelt bekommen, aus dem Lautsprecher, coole Musik, 5-4-3-2-1-GO…

Als würden sich die 272km der Stage 1 in den ersten 100m entscheiden… besser mit Vollgas los als gar nicht! Langsam lichtet sich das Fahrerlager, jetzt starten nur mehr die Gelassenen, die das Feld sowieso von hinten aufrollen werden…
Die Zurückbleibenden entziehen sich der Hitze und ziehen in die Hotellobby, dort beginnt für sie das Abenteuer OWAKA live Tracking, ein echter Krimi die Teilnehmer zu verfolgen, das gesamte Jentlflow -Team wird als Favoriten gekennzeichnet! Die Geschwindigkeit und der Standort kann fast zeitgleich getrackt werden, obwohl es nicht um einen möglichen Sieg geht, ist es sehr spannend zu beobachten wie sich die Reihenfolge der Starter ändert, wo wer Pause macht, dauert diese zu lange für die in der Lobby sitzenden, wird wild spekuliert, warum? Essen, trinken oder gar eine Panne?
Am Nachmittag kehren die ersten zurück, die Geschichten über die Strecke laufen aus dem Kehlkopf, wie das Bier aus der Dose. Die ersten Pannen an den Steilauffahrten werden teilweise sehr dramatisch beschrieben, die Hilfsbereitschaft der anderen Teilnehmer sehr gelobt, zurück sind abends noch nicht alle, aber das OWAKA live Tracking verrät, dass sie auf der Heimfahrt sind.
Stefans Briefing für den Tag 2 lässt wieder erahnen, dass den Rally-Piloten, abgesehen von dem Anblick der grasenden Wildpferde, nichts geschenkt werden wird. Für Überraschung werden die ausgehobenen Gräben und die mit Aushub aufgeschütteten Erdwälle sorgen. Nicht nur die Holzdiebe werden mit ihnen zu kämpfen haben auch die Rally-Teilnehmer.

Tag 2: Stage 2 – 253km Glamoc

Sichtlich mitgenommen, von der Stage 1, geht nicht mehr jeder an den Start, einige verbringen den Tag im Schatten oder dort wo sie ihn vermuten, um abends doch ganz schön gerötet im Finstern zu glühen.
Vor-Start…, Start bei cooler Musik, die vielleicht die ganz jungen Starter gar nicht mehr kennen, aber da das Starterfeld optisch zumindest ein Durchschnittsalter von 50+ aufweist, klingt es super motivierend. 5-4-3-2-1- GO
Die Stage 2 nimmt ihren Lauf, OWAKA unterhält die mitfiebernden, derzeit nicht motorradfahrenden, Freunde. Diese wagen gar nicht den Blick zu heben, schwanken ständig zwischen den zu beobachtenden Fahrern hin und her.

Der eine oder die andere wird bereits einen Termin im 25km entfernten Privatspital aufsuchen, dort für alles drum herum 25€ bezahlen und zurück im Fahrerlager sich auch in den Schatten setzen.
Nachmittags treffen wieder die ersten ein, manche etwas durchnässt, nach der Wasserdurchfahrt, die auf unterschiedlichste Art und Weise durchfahren werden konnte und nicht alle sind ganz so fit wie erhofft, die eine oder vielleicht auch einen zweite (es sollten dann drei sein) Rippe scheint gebrochen…doch stolz trotzdem noch 100km mit „den dreien“ durchgehalten zu haben…

Wasserdurchfahrt Manfred Hörburger Michael Jentl

Vorsichtig durchs Wasser: Manfred und Michael

Die ersten Diskussionen, ob der richtigen Reifenwahl entpuppen sich als recht wichtig! Einige Nägel mehr und viel Profil weniger, was sollen wir tun? Die das vorhergesehen haben, packen entweder gleich einen 2. Reifensatz aus oder montieren die mitgebrachten 2. Reifen oder lassen die Reifenmonteure werken.

Beim Briefing lauschen wieder weniger Teilnehmer, denn der Stage 3 nach Mostar in die Gluthitze, 42°C sind vorhergesagt, werden viele entfliehen. Einige brechen an den Stausee auf, mit Bikini und Enduro-Stiefel werden sie dort ein Auto filmreif aus dem tiefen Sand bergen. Einige wollen die Wasserfälle von Jaice sehen, den Rippen eine Auszeit gönnen, Kaffee trinken und Souvenirs, für die sich zu Hause sorgende Familie einkaufen. Und die paar, die den Tag 2 genutzt haben um sich auf Tag 3 vorzubereiten, brechen mit Vorfreude und Respekt nach Mostar auf.

Tag 3: Stage 3 – 316km Mostar

Der Vor-Start, Start, 5-4-3-2-1-GO geht immer flüssiger und auch mit weniger Motorgeräusche vonstatten. Ist doch allen klar geworden, dass sich der Tag nicht in den ersten 100m entscheidet und die Kraft eingeteilt werden will. Die Stage 3 erweist sich als befahrbarer denn ever. Am Abend beim Interview wird einer sagen, „Tag 1 war am schwersten, Tag 2 war schwer, heute war es dagegen fast ein Ruhetag (lacht), na halt nicht mehr so schwer (lacht)…“ Ob das jeder so gesehen hat, wird sich nicht so leicht klären lassen.

Am späteren Nachmittag kehren die ersten Teilnehmer „erholt“ zurück, derweil doch viele noch auf der Strecke durchaus auch auf technische Hilfe warten.
Einige der JentlFlowler wirken zerknittert, die Einen hatten Kontakt mit einer Bagger-Schaufel , das Handgelenk wurde dadurch dermaßen beeinträchtigt, dass nur die Rückfahrt auf der Straße möglich schien, jedoch entpuppte sich diese Rückfahrt als Erkundungsreise in die Tiefen des unbekannten Bosniens.
Die Anderen wurden Zeugen eines Unfalles, dessen Folgen glücklicherweise doch „nur“ im Spital endeten. Aber als sie daran vorbeikamen war dies nicht absehbar und dieses Bild mahnte auch sie auf der Straße retour zu fahren.
Nachdenklich, über den Sinn dieser Tage philosophierend, traf ich einen zum Interview. Was mag denn wichtig sein, wo liegt der Sinn dieser anstrengenden Tage, wo will ich denn hin, was will ich mir beweisen, warum riskiere ich einen möglichen Unfall, was habe ich die nächste Woche vor?…
Der Tag 3 geht nachdenklich zu Ende. Beim Briefing für Tag 4 wird er nicht mehr dabei sein, nach dem Frühstück fährt er los in Richtung Österreich.

Die Zuhörerschaft beim Briefing für Tag 4 wird immer spärlicher, viel muss gewartet werden, viele sind müde, viele trinken auch lieber ein Bier, und viele haben auch erkannt, dass der Light-Track die bessere Wahl gewesen wäre.

Tag 4: Stage 4 – 290km Konjic

Vor-Start, Start, 5-4-3-2-1-GO die Motorräder zeigen wie ihre Fahrer echte Verschleißerscheinungen. Bald wird eine sandige Waldpassage kommen, in die sich viele Motorräder stürzen und die Kupplung der BMW ihre Aufgabe verliert. Stillstand im Wald, der technische Pannendienst wird sie und den Mutigen im Laufe des Tages holen. OWAKA Live Tracking zeigt allerhand Unterschiede im Vorwärtskommen der JentlFlower. Rückkehrende erzählen von überbelasteten Daumengrundgelenken und aufleuchtenden Motorkontrollleuchten…die machen zwar Sorgen, werden aber hingenommen, weder Schmerz noch eine Kontrollleuchte sind ein Warnsignal!

Die Ausflugsfahrten der Begleiter waren nicht minder spannend, ein Auto sagt man, kam erst gegen Mitternacht zurück, das Navi hat sie im Finstern zu einem anderen Kupres führen wollen, doch die beherzte Fahrerin folgte allen Offroad-Straßen um doch im richtigen Hotel zu landen…
Letztendlich sind schon einige abgereist, andere bleiben aus Solidarität oder weil der Urlaub ja sowieso im Hotel gebucht ist und bei dem zu Hause verbliebenen Partner wird er auch noch nicht vermisst?
Abends noch ein letztes Bier aus dem Kofferraum-Kühlschrank, wieso dieser, wie in „Tischlein deck dich“ immer noch voll ist, hinterfragen wir nicht.
Letztes Briefing von Stefan, eine „Handvoll“ Zuhörer,…morgen wird schon alles gut gehen, ist ja der letzte Tag…

Tag 5: Stage 5 – 189km Livno

Vor-Start, Start, 5-4-3-2-1-GO noch weniger Teilnehmer, ein paar sind schon am Meer, um die Seele baumeln zu lassen, die anderen schwitzen sich nass, als würden sie auch im Meer untertauchen…
OWAKA live Tracking lässt alles beobachten, schnell im Ziel, Stefan wird sich für „jeden Finisher“ freuen und die Zielflagge schwingen!
Die Finisher wirken überglücklich, erzählen zwar von Strapazen, aber alles Unangenehme ist wie weggewischt, selbst die Motorkontrollleuchte leuchtet immer noch…sie wollen fast alle nächstes Jahr wieder kommen…

Abends Spanferkel und gratis Bier… die Stimmung ist ausgelassen, alle die noch hier sind und die keine Schmerzen haben feiern mit!

Die Beobachtung der 5 Tage, inklusive der Fragebögen vor der Rally und nach der Rally, werfen einige Fragen auf:

  1. Wie werde ich mich für die kommende Saison vorbereiten? Wie und wieviel werde ich für meine körperliche und seelische Gesundheit investieren? Außer extrem guter körperlicher Fitness werde ich auch mentale Fitness brauchen! Nichts ist bei der Rally in Bosnien wie zu Hause! Ich befinde mich in einer Ausnahmesituation, die Streckenlänge, der Schwierigkeitsgrad, die äußeren Bedingungen werden mich fordern, mehr als ich mir heute vorstellen kann!
  2. Welche technischen Vorbereitungen werde ich treffen? Welche Ersatzteile sollte ich unbedingt dabei haben, wie komme ich zu einer neuen Radmutter, welche Reifenwahl werde ich treffen, wer wird mir u.U. die Reifen wechseln, kann ich es selbst? Oder verwende ich Mousse? Habe ich alles mit, wenn ich den Job alleine machen muss? Wieviel Ersatzluftfilter habe ich dabei? Der Staub frisst alles auf…
  3. Wie werde ich mich fahrtechnisch weiter entwickeln? Werden JentlFow-Trainings alleine ausreichen? Wenn nicht, welche Möglichkeiten werde ich nutzen um Michaels Tipps und Tricks zu üben? Wo kann ich Enduro fahren oder wo gibt es vielleicht eine Motocross-Strecke…
  4. Welches Motorrad will ich dort fahren, hat mein Motorrad genug Leistung, hat es zu viel Leistung, genug Tankinhalt? Ist das Motorrad geeignet, brauch ich vielleicht doch eine Sitzbank? Befindet sich mein Motorrad, aufgrund von Alter und Ehrwürdigkeit, trotzdem in einem Rally-Modus?
  5. Welche Tuning Maßnahmen sind wichtig und sinnvoll? Brauche ich überhaupt welche, wenn Kollegen aus drei alten KTM 640iger eine „neue“ bauen und diese hält durch und lässt noch Zeit um mit der Drohne zu filmen? Oder ist das ein „All-Over-Tuning“?

Renate GutlebDie Vorbereitungen könnten schon starten! Auf ein spannendes Jahr 2024!
Bedank mich bei euch! Renate

 

Plakat Bosnia Rally 2024