Immer wieder kommen Adventurebiker mit schweren Zweizylindern an Ihre Grenzen, wenn das Gelände etwas technischer wird. Ist der Schwung bei steileren Auffahrten weg, ist Anfahren nahezu unmöglich. Wenden und Rangieren auf schmalen Wegen wird zum Kraftakt, ebenso das Aufheben des Bikes nach einem Umfaller. Ginge das nicht mit einem Einzylinder wie der KTM 690 Enduro R wesentlich leichter? Das Bike wird vom KTM im Travelsegment geführt, also ist sie eine leichtes Adventurebike? Wo liegen die Unterschiede, abgesehen vom Gewicht?

Ich selbst habe Erfahrung mit der 690er, zuletzt hatte ich 2012 und 2014 eine 690 Enduro R, bevor ich 2015 auf eine KTM Adventure 1050 umgestiegen bin. – Vergleich KTM Adventure 1050 – Super Adventure 1290R  – Bei meinen JentFlow Offroad Fahrtechniktrainings hatte ich jetzt die Möglichkeit eine neue 2021er Husquarna 701 Enduro und KTM 690 Enduro R zu fahren.

2012 unterwegs mit meiner KTM 690 Enduro, meinem letzten großen Einzylinder

KTM 690 Enduro R – die wahre „Big Enduro“

Nicht umsonst heißt die 690er KTM „Enduro“ R, denn nicht nur optisch ist sie näher an den EXC Sportenduros als an den Adventurebikes aus gleichem Hause. Als KTM 350 EXC-F Fahrer fühle ich mich auf der 690er sofort wie auf einer etwas größeren Sportenduro. Mit 146kg ist sie zwar ca 40kg schwerer, aber Tanks-Sitzbanklinie und Stehposition sind ähnlich der EXC. Sie ist – im Vergleich zur Adventure – kurz, kompakt und entsprechend handlich. Dennoch erlaubt die gut gepolsterte und etwas breitere Sitzbank auch größere Tagesetappen, was mit einer EXC definitiv keinen Spaß macht. Auch der große, für einen Einzylinder unglaublich laufruhige Motor unterstützt die Tourentauglichkeit. Natürlich fehlt dafür ein Windschild bzw. ein Rallyvorbau, wo man auch ein GPS gut (und schön weit vorne) unterbringen könnte, aber die Basis ist vorhanden. Und den Zubehörhandel freut’s.

Geht es ins Gelände, sorgt das WP Xplor Fahrwerk mit 250mm Federweg  für hohes Tempo auf rauen Untergrund. Im Vergleich hat eine KTM 890 Adventure R 240mm Federweg, der aber mit dem gut 50kg schwereren Motorrad mehr zu tun hat und zu Vorsicht mahnt, wenn es rauer wird. Dazu gibt das niedrige Gewicht der 690er dem Piloten mehr Spielraum bei allen Offroadmanövern. Durch die schmale Sitzbank ist auch die Sitzhöhe (929mm) kein großes Problem, wenn man über 180cm groß ist. (bei der 890R sind es 880mm bei deutlich breiterer Sitzbank)

Leider fühlt sich der 690er Motor für mich gedrosselt an. Er geht zwar gut, vor allem dreht er schön aus, aber der typische LC4 Punsch fehlt. Das der große Einzylinder die EU5 Hürde nimmt ist eh ein Wunder, hat aber Konsequenzen. Im – für Offroad wichtigem – unteren Drehzahlbereich ist er sehr mager abgestimmt und serienmäßig kraftlos. Mit fetterem Mapping, offenen Luftfilterkasten und Auspuff schaut die Sache natürlich anders aus. Ist allerdings laut(er) und illegal ….

KTM 690 Enduro R im Rallytrimm

Der Vergleich zur KTM 890 Adventure R

Die KTM 790/890er „R“ ist das offroadtauglichste Zweizylinder Adventurebike am Markt. Der Unterschied zur KTM 690 Enduro R ist dennoch gravierend. Die Bikes fahren sich auch in jeder Hinsicht anders, jede mit eigenem Charakter.

Wir haben bei der 890er 50kg, 30PS, 26Nm und einen Zylinder mehr.  Das ist eine andere Welt.

Ergonomie Vergleich 890 versus 690

Ein Riesenunterschied, den kaum wer auf der Rechnung hat. Auf der 890er hat man viel mehr Platz für eine entspannte Stehposition. Der Abstand Lenker zu Fußrasten ist deutlich größer. Vor allen, wenn es bergauf, geht liegt man beim Zweizylinder herrlich über dem Lenker. Die kompakte 690er hat dafür Vorteile im Handling. In engen Kurven fährt man Kreise um die Große, und wenn die Wege gröber werden, kommt man deutlich weiter. Die 890er vermittelt mehr Souveränität, die 690er wird aber Offroad immer das schneller Bike sein. Mit 50kg weniger bremst man später, geht früher ans Gas und fährt schneller über raues Terrain. Das ist Fakt.

Motorvergleich 890 versus 690

Auch hier ein Riesenunterschied zwischen den Bikes. Auf der einen Seite der zwar starke, aber durch die EU 5 Norm eher zugeknöpfte LC 4 Motor und auf der anderen Seite der agile, starke Zweizylinder mit Kraft ohne Ende in allen Drehzahlbereichen, der sich legal und leise richtig racy fährt. Und das auf der Straße wie im Gelände. Wer den Gewichtsvorteil der 690er will, muss sich mit dem Motor anfreunden. Das ist natürlich Geschmackssache.

Mit der KTM 890 Adventure R bei der Bosnia Rally

Der Einsatzbereich – KTM 890 Adventure R versus KTM 690 Enduro R

Beide Motorräder findet man bei KTM auf der Travelseite, was auch seine Berechtigung hat. Die 690er ist tourentauglicher, als ich es Ihr zugetraut hätte. Solange man alleine unterwegs ist und nicht allzu viel Gepäck dabei hat, spricht nichts gegen längere Touren. Natürlich, mit einem Rallyvorbau wäre der Windschutz besser, und für Gepäcktransport muss man mehr nachrüsten. So kann man die 690er gut in Richtung Travel oder Rally tunen oder eben als Enduro belassen. Der große Vorteil an der Einzylinder KTM ist die Leichtigkeit, sobald es ins Gelände geht. Alle Manöver gelingen um vieles leichter als mit dem 2-Zylinder und man ist motiviert, auch härteres Gelände zu fahren.
Auf der Straße macht die 690er auch Spaß, vor allen die Bremspunkte können viel später gesetzt werden und die Kurvengeschwindigkeiten sind höher. Wäre da nur nicht der gedrosselte Motor… Anders die 890er, die gerade über den Motor stark punktet. Unten schon stark, ebenso in der Mitte und oben raus ein Feuerwerk. Und das leise und legal. Und vor allen auch Offroad gut zu dosieren und dank der Elektronikmöglichkeiten gut nutzbar. Aber natürlich schiebt das höhere Gewicht anständig an und Kurven müssen früher angebremst werden. Onroad wie Offroad.
Dazu bietet die 890er natürlich mehr Komfort und ermöglicht weitere Strecken auch mit Gepäck und Sozius. Das Motorrad ist größer und bietet viel Raum für den Fahrer, gerade beim Stehen ein Riesenplus für große Piloten.
Für 2-Zylinder Verhältnisse fährt sich die 890er Offroad durch den tiefen Schwerpunkt agil und handlich, wenngleich im Vergleich zur 690er ist sie träge und schwerfällig. Trailtempo und langsame Fahrmanöver sind viel anspruchsvoller, weshalb man am Trail auch früher umdreht (solange man noch kann) als mit der 690er. Wo die 890er richtig Spaß macht ist auf Schotter bis hin zu zerfallenen Traktorwegen. Dort sorgt das Gewicht und die geräumige Ergonomie für Stabilität und Souveränität. Aber die 690er ist auch hier schneller und leichter zu bewegen. Welche mehr Spaß macht muss jeder für sich entscheiden.

KTM 890 Adventure R und KTM 690 Enduro R – Vergleichsfahrt beim Jentlflow Offroadtraining

KTM 890 Adventure R versus KTM 690 Enduro R – welche für wen?

Wer zu zweit oder mit viel Gepäck auf große Reise geht wird die 890er nehmen, wer ein Allroundbike mit Option für härteres Gelände will, nimmt die 690er, soweit klar.
Bei guten Piloten langweilt sich die KTM 690 Enduro R auf Schotterautobahnen und will in härteres Gelände. Damit ist man aber schnell auch mal in illegalen Terrain unterwegs. Außer man fährt Amateurrallies wie die Bosnia Rally, da haben auch schnelle Piloten damit ihren Spaß ohne mit dem Gesetz ein Problem zu bekommen. Den großen 2-Zylinder auf Schotter schnell zu bewegen ist anspruchsvoller, fordernder, aber auch befriedigender, wenn es gut gelingt. Da zieht es einen gar nicht so in jeden Singeltrail. So gesehen hat man mit der 890er ein weitaus größeres, legal nutzbares Offroadgelände zur Verfügung. Dazu kommt, dass die 2-Zylinder KTM durch die Motorcharakteristik leise schnell gefahren werden kann. In der heutigen Zeit ein echter Vorteil. In echtem Endurogelände wird man mit der 890er nicht weit kommen, außer man heißt Chris Birch. Dafür ist sie auch nicht gebaut. Dort, wo man mit dem Zweizylinder umdreht macht es mit der 690er noch richtig Spaß. Es sollte also auch die Verfügbarkeit von legalen Offroadmöglichkeiten in die Motorradwahl reinspielen.

Was spricht für die 690er im Adventurebike Einsatz? Für Offroadeinsteiger hat der Einzylinder auch im gemäßigtem Offroadeinsatz durchaus Berechtigung. Durch das geringere Gewicht lassen sich viele Offroadfahrtechniken leichter lernen und die Angst vor Umkippen ist auch geringer. Dennoch würde ich großen, kräftigen Adventurebikern die 890er empfehlen, das sie von der Ergonomie her viel geräumiger ist und eine sportliche Stehposition, das A&O Offroad, leichter fällt.

Kurz zusammengefasst: Je härter das Gelände, oder je ungeübter und leichter/schmächtiger der Fahrer, umso eher die 690er. Wer auf Schotter und Traktorwegen bleibt, oder geübter und größer/kräftiger ist, nimmt die 890er. Soweit meine Theorie. Motorradfahren ist Emotion und welche einem mehr Spaß macht kann nur eine Probefahrt klären. Also unbedingt beide fahren bevor man sich entscheidet.

Fazit

Michael Jentl JentlFlowAdventure- versus Dualsportbike. Zwei Welten treffen hier aufeinander. Hier gibt es kein besser oder schlechter, jede hat Ihre Berechtigung, ihre Zielgruppe und Ihre Fans. Wen das hohe 2-Zylinder Gewicht abschreckt, oder wer in härteres Gelände möchte, nimmt die KTM 690 Enduro R. Hier kann die 890er mit +50kg nicht mithalten. Dazu nimmt man auch den im Würgegriff der EU 5 stehenden Motor in Kauf, der etwas gedrosselt wirkt. In einfacheren, schnellen Gelände glänzt dafür die 890er mit geräumiger Ergonomie und Souveränität. Dazu der starke agile, und dennoch legal leise Motor, der begeistert. KTM 690er und 890er – grundverschiedene Bikes, die beide Spaß machen und die jeder Adventurebiker einmal gefahren sein sollte. Für mich bitte die KTM 890 Adventure R, aber das war jetzt nicht schwer zu erraten.