Es ist so weit, mein 2020er Spezialized Turbo Kenevo Expert ist ready to ride. Nach einem kurzen, aber intensiven Test habe ich mich zum Wechsel auf das 2020er Modell entschieden. Lest darüber meinen Beitrag Spezialized Turbo Kenevo Comp 2020 Kurztest. Das neue Kenevo hat viele Verbesserungen zum 2019er Modell, wie etwa den großen 700Wh Akku, die Akkustandsanzeige am Oberrohr, oder eine Sattelstütze mit mehr Einzug. Aber vor allem hat die Generation 2 eine radikale Downhillgeometrie; und die muss man erst mal mögen … Puh, 4cm mehr Reach und 6cm mehr Radstand zum 2019er Kenevo (Gr L zu S4, der neuen Größenbezeichnung). Lang und flach steht es da das neue Kenevo. Mein Testride mit dem Comp Modell hat mir zwar erste Bedenken genommen, dennoch muss ich meinen Fahrstil umstellen, aktiver und aggressiver fahren, damit das Bike sein Potenzial ausschöpft. Net so leicht für einen alten gemütlichen Mann.

Geometrie – verstellbar

Die Doppelbrückengabel bietet durch die Höhenverstellung der Standrohre in den Gabelbrücken eine zusätzliche Verstellmöglichkeit der Geometrie. Im Extremfall lässt man an den Standrohren gerade Platz für den Federweg + 1cm Reserve und lässt die Gabel oben überstehen. Ich habe fürs erste 2cm Reserve zur unteren Gabelbrücke und oben 5mm Überstand.

Am Federbein kann man an der unteren Aufhängung über einen Flip Chip eine flachere (Serie) oder steilere Geometrie (Lenkwinkel +0,5°, Tretlager +5mm) wählen. Mit meinem Gabelsetup und Federbein auf original „Low“ habe ich einen gemessenen Lenkwinkel von 64°, so wie es vorgesehen ist.

Fahrwerk – robust und abfahrtslastig

Rock Shox Boxxer Select RC 180mm – first Setup:

  • Luftdruck:  140 PSI 2 Token, nach der ersten Ausfahrt 3 Token
  • Druckstufe: 2auf
  • Zugstufe: 7auf

Rock Shox Super Deluxe Coil Select – first Setup:

  • Feder 550lb für mich zu hart, SAG 25%, Wechsel auf 500lb SAG 30%
  • Zugstufe: 6auf

Laufräder – racy

Auch hier erkennt man, dass Spezialized das neue Kenevo für schnelle Fahrer konzipiert hat. 1cm schmälere Felgen (Innenweite jetzt 28mm) und 2,6” statt 2,8” Reifen ergeben Laufräder, die zwar weniger komfortabel, dafür stabil und präzise zu fahren sind. Serienmäßig sind Spezialized Butcher 27,5×2,6” montiert; ich habe vorne auf einen Schwalbe Magic Mary Soft 2,6” gewechselt. Der sollte im Feuchten besser greifen.

Neue Sattelstütze – unspektakulär

Spezialized hat sich von der ungeliebten Comand PostWu, bei der beim Absenken der Sattel nach hinten abgekippt ist, verabschiedet. Zu wenig Versenkmöglichkeit und Defektanfälligkeit waren die Gründe dafür. Schade finde ich, denn die Idee an sich war gut. Nicht umsonst sind bei Downhillbikes die Sättel nach hinten geneigt … Die neue Comand Post ist eine herkömmliche Teleskopsattelstütze mit immerhin 160mm Einschub.

Lackqualität – mangelhaft

Unverständlich in dieser Preisklasse ist die schlechte Lackqualität. So was darf Spezialized nicht passieren.

Erste Ausfahrt – slippery when wet

Leider ist der November 2019 im Grazer Bergland feucht und bisher nicht sehr bikerfreundlich. Die Trails sind nass/laubig und darunter gatschig oder nass wurzelig. Also nicht gerade ideal zum Gewöhnen an ein Bike, das aggressiv gefahren werden will…. Dennoch bin ich ein paar einfache Trails gefahren um einen ersten Eindruck zu bekommen und einen Funktionscheck zu machen.

Federung – hat Potenzial

Entscheidend für die Fahreigenschaften ist neben der Geometrie die Balance und Abstimmung der Federelemente. Im Idealfall federt und dämpft das vorne wie hinten gleich und man nutzt den vollen Federweg aus. Wie vermutet ist die 550lb Feder hinten zu hart, gefühlt fahre ich mit dem halben Federweg. Da ich verhältnismäßig kurze Arme und lange Beine habe, ist mein Körperschwerpunkt gerne weiter vorne als mir lieb ist. Ein zu hartes Federbein begünstigt das noch – nicht ideal. Die weichere 500lb Feder ist bestellt. Die Boxxer habe ich mit 140PSI befüllt. Die Federhärte fühlt sich so recht gut an, aber bei härteren Landungen habe ich die 180mm voll ausgenutzt, weshalb ich gleich auf 3Token (+1) erhöht habe. Die Token (Kunstoffzylinder) verkleinern das Luftvolumen in der Gabel und lassen sie am Ende des Federwegs progressiver werden.

Motor Parameter – eine Wissenschaft für sich

Anders als beim Testrad ist der Motor nicht lauter als beim alten Kenevo; dafür wie gewohnt gut. Der 700Wh Akku lässt höhere Unterstützungsstufen und damit mehr Tempo/mehr Abfahrten zu. Wie ich die 3 Unterstützungsstufen in der Mission Control App einstellen werde, muss ich noch testen. Kompliziert genug mit dem zusätzlich einstellbaren “Motorstrom” kommen beim 2020er Kenevo noch “Shuttlemode” und die “Beschleunigungssensibilität” als einstellbare Parameter dazu. Aber ich teste ja gerne. Sonst möchte ich noch keine Aussagen machen, außer das alles funktioniert, wie es soll. Vor- und Nachteile der neuen Geometrie und was die Doppelbrückengabel an Steifigkeit bringt, müssen ausführlichere Testfahrten bei besseren Streckenbedingungen zeigen.

Fazit

Nach erstem Setup und Fahrtest steht jedenfalls schon mal fest, dass das neue Spezialized Turbo Kenevo Gen2 nicht nur am Papier an Downhilleigenschaften zugelegt hat. Ist man kürzere Geometrien gewöhnt, muss man sich allerdings umstellen, um das Potenzial nutzen zu können. Ein aktiver Fahrstil ist gefragt. Das neue Kenevo ist damit definitiv ein Bike für schnelle Piloten. Da werden sicher einige ehemalige Enduro- und Downhillracer schwach werden und den Umstieg aufs E-Bike wagen…